Was wir aktuell so alles vermissen …

Was vermissen wir am Amateurfußball am meisten? Die #finestburgherren liefern euch als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk einen – nicht ganz ernst gemeinten – Überblick.

Seit rund zwei Monaten ruht im Amateurfußball der Ball. Nach menschheitsgeschichtlichen Maßstäben keine lange Zeitspanne. Die umfasst ein Trash-TV-Marathon von „Sommerhaus der Stars“ bei RTL aber auch nicht. Zieht sich trotzdem.

Für all jene jedenfalls, die ihre Wochenenden sonst auf Bratwurstduft geschwängerten Sportplätzen verbringen, läuft die Zeit im Augenblick so zäh wie ein lahmer Gaul, den man noch auf der Koppel aus Mitleid erschießen möchte. Wann der allmächtige Fußballgott ein Einsehen hat und die Kicker wieder von der Leine lässt, ist hinsichtlich der aktuellen Corona-Situation noch ungeklärt. Um die Zeit zu überbrücken, bis die Helden der Rasenplätze wieder gegen den Ball treten dürfen, liefern die Burgherren eine nicht ganz ernst gemeinte Analyse über all jene Vorzüge, die die Freunde des Amateurfußballs derzeit so schmerzlich vermissen.

 

Die Zuschauer:

Vom rüstigen Rentner, der unserem Verein „scho allerweil zuschaut“ bis zum milchgesichtigen Nachwuchs-Ultra, der darum bettelt, „dass das nicht die Mama erfährt“, wenn er vom Kassierer beim Einschleusen von eigenen Spirituosen erwischt wird: Der Sportplatz ist am Spieltag ein Aufeinandertreffen verschiedenster Charaktere. Die Kommentare des Publikums zum Spielgeschehen sind selten konstruktiv – aber stets unterhaltsam. Ob die Klassiker „Schiiiiiri, der hat scho Gelb!“ oder „der muss fei morgen nu in die Ärbert“ je einen Unparteiischen getäuscht oder beeindruckt haben, ist nicht überliefert.

Die eigene Sprache:

Während „Diago“, „Leo“ und „Steck“ für Unkundige wie die Mitglieder eines lateinamerikanischen Trompeter-Trios klingen, ist der Sportplatz für Linguisten eine reiche Fundgrube. Vermutlich haben die Burgherren mehr lexikalische Varianten für Schienbeinschoner in petto als die Inuit für Schnee. Da können sich Fußball-Legenden wie Pierre Littbarski gerne was abschauen: „In der zweiten Halbzeit fehlte uns die Kontuni . . . Kontinu . . . ach verdammt, wir waren nicht beständig genug.“ Mitunter flüchten sich die Burgstädter wie ihre Vorbilder aus der Bundesliga aber auch in einen bedenklichen semantischen Brei aus Pathos und Plattitüden. Ohne die verblüffende Schlussfolgerung „Wir brauchen die Punkte, um oben dranzubleiben“ hätten Laien die undurchsichtige Arithmetik der Tabelle vermutlich niemals durchschaut.

Der Eiskoffer:

Egal ob der grobschlächtige Verteidiger (in unserem Fall wohl der beinharte Frank Drechsel) den gegnerischen Topstürmer auf staubtrockenen Platz aus zehn Metern Anlauf beidbeinig voran mit 16 Millimeter Schraubstollen niedergestreckt hat. Oder ob der wehleidige Zehner (Christian Herzog) nur einen millimeterbreiten Kratzer an seinem Ellenbogen behandeln lassen will. Der Eiskoffer ist nicht nur der beste Freund, sondern der Thermomix des gewissenhaften Betreuers.

Das Problem mit der Lokalpresse:

Während aalglatte Profis sich gegenüber der Journaille meist von einer abgedroschenen Floskel zur nächsten hangeln, damit der Trainer nicht am nächsten Tag mit pochender Ader auf der Stirn und dem „Kicker“ in den Händen auf der Matte steht, sind die Probleme der TV-Spieler mit der Presse anderer Natur. „Mich bitte nicht in der Zeitung erwähnen, bin noch bis Mittwoch krankgeschrieben.“ Und wer hat dann den Dreierpack erzielt? „Schreib, das war der Michael Eckmann, der freut sich …“

 Der Alkohol:

„Wir hatten vier Tage Burgfest. Was willst du machen? Da hat uns auf den letzten Metern die Luft gefehlt.“ Diese plausible wie rührend ehrliche Antwort von Stefan Ehrenfried auf die Frage nach den Gründen für die 0:6-Packung im Derby könnte im Berufsleben zu Unannehmlichkeiten führen. Unter Hilpoltsteinern erntet man dagegen bedächtiges Kopfnicken. Auch unter den Zuschauern. Denn wenn Ikke Hüftgold und Lorenz Büffel aus den Lautsprecherboxen tönen, möchte niemand auf dem Sportplatz südlich der Promillegrenze unterwegs sein. Getrunken wird aber in Maßen. Zumindest will am Ende des Tages niemand mehr intus haben als der arme Tropf, der am Mannschaftsabend beim „Meiern“ die Situation nicht mehr richtig einschätzen kann und eine Runde nach der anderen schmeißen muss.

Die bunten Schuhe:

Das klassische Schwarz mit weißen Streifen hat ausgedient. Stattdessen erstrahlen heute auch die Treter des A-Klassen-Prügelknaben Tom Winkelströter in Magenta, Apricot oder in Lachsfarbe. Als hätte die heimliche Liaison zwischen einem Pfau und einem Regenbogen der Welt ein kreischend buntes Kind geschenkt, das keiner leiden kann. Nichts für ungut Jungs, über Geschmack lässt sich nicht streiten – aber ein ehrlicher Holzfuß wie Burgherren-Legenden Stefan „Nafets“ Regensburger hätte euch für die Dinger mit Ansage durch die Bande getreten. Ja, d u r c h die Bande.

Die Kabine:

Wenn mal wieder verzweifelt der Wertsachenbeutel gesucht wird, weil die Umkleide weder Schlüssel noch Tür besitzt, sollte der eine oder andere Verein besser in die Infrastruktur investieren, statt dem schnöseligen Nachwuchsbengel den Überrollbügel seines 2er Golfs zu finanzieren. Spätestens dann, wenn unklar ist, ob die braune Brühe in der Dusche von Schmutzrückständen der Spieler oder von durchgerosteten Rohren rührt, sollten auch klamme Clubs ihr Herz für die Hygiene entdecken.

Der Schiedsrichter:

„Schiri, immer der Zehner. Und jetzt lacht der auch noch!“ Der Mann an der Pfeife hat es nicht leicht. Nicht nur, dass ihm jedes Wochenende adipöse Zuschauer nördlich der 25 Dioptrin mit Schaum vor den Fängen entgegenbrüllen, dass das (kein) Abseits war – der Unparteiische muss sich auch mit der mimosenhaften Laienschauspieltruppe, die sich Fußballmannschaft nennt, auseinandersetzen. Nicht vor Lachen die Pfeife zu verschlucken, wenn Verteidiger Benni Herzog von der Statur eines kongolesischen Berggorillas nach einem harmlosen Zweikampf schneller auf dem Kreuz liegt als Mia Khalifa (vor allem der Großteil der männlichen Leser wird die „Schauspielerin“ kennen), erfordert Selbstbeherrschung. Ja, zugegeben, manchem Unparteiischen stünde ein wenig Selbstironie nicht schlecht zu Gesicht – jedoch ist es auch verständlich, dass sich der Mann in Schwarz vor allem gegen sämtliche Umgebungseinflüsse und Kritiken erhaben zeigen muss.

Eigentlich könnten wir noch viele weitere Gedanken des Vermissens rund um das runde Leder beschreiben, wollen euch aber auch nicht mit der Komplexität der Themen „Trainertypen“, „Freistoßspezialisten“, usw. überfordern und schließen das Kapitel deshalb mit einem gepflegten „Servus und bis zum nächsten Mal“.

Eure Burgherren